Mit der Aufhebung der deutschen Teilung erfährt ein Schriftsteller besondere Aufmerksamkeit, der über Jahrzehnte als ein „Dichter der beiden Deutschland“ oder als „Autor der deutschen Teilung“ etikettiert worden war: Uwe Johnson. Ein Grund ist darin zu suchen, dass es ihm in seinen Werken immer um „die Grenze: den Unterschied: die Entfernung“ ging.
Die Grenzerfahrung bedeutete für Uwe Johnson auch den Versuch, das Auseinanderleben und das Fremdwerden der Deutschen zu erfassen und jeweils „die andere Seite mit ihren eigenen Augen“ zu sehen. Dabei ist Uwe Johnson mit Vergangenheit in einer Weise erzählerisch umgegangen, die ein Wiedererkennen ermöglicht, auch und gerade obwohl er keine „Wirklichkeitsschaufelei“ betreibt.
Wahrheitsfindung, Erinnerungssuche, Gedächtnis, Trauerarbeit, Zeugenschaft, Dokumentation, Spurensuche, Grenzerfahrung – das sind nur einige Stichworte, mit denen Aspekte des Johnsonschen Werkes vereinfachend umschrieben werden können.
Die Spezifik von Johnsons Erzählkonzept hat eine Ursache in seinem Wissen, daß es eine – wie auch immer geartete – einfache Wahrheit nicht gibt. Aus eben diesem Wissen erklärt sich seine zurückhaltende Einladung, die im Roman angebotene „Version der Wirklichkeit zu vergleichen mit jener, die Sie unterhalten und pflegen.“
Es geht also nicht nur um das Tolerieren des „unterschiedlichen Blicks“, sondern jener ist Grundlage moralischer und ästhetischer Existenz.