Die Begründung der Jury
Norbert Gstrein erkundet in „Das Handwerk des Tötens“ auf radikale Weise die Fähigkeit des Romans, Einsichten in die gravierendste Bedrohung von Menschen – den Krieg – zu vermitteln. Durch seine literarische Gestaltung legt er die Realitäten der jüngsten Balkankriege jenseits aller journalistischen Berichterstattung offen – Realitäten, die sich jeder unilinearen Beschreibung verweigern.
„Das Handwerk des Tötens“ macht deutlich, dass allein durch die distanzierende Fiktion Uwe Johnsons Vorsatz, „daß die Toten wenigstens ein Recht haben auf die Wahrheit ihres Todes“, einzulösen ist. Und dass das Handwerk des Schreibens in der Lage ist, die Toten zu vergegenwärtigen.
Aus der Dankesrede von Norbert Gstrein zum Uwe-Johnson-Preis
„(…) War Uwe Johnson ein Exilschriftsteller, und das von allem Anfang an? Auch darauf werden Sie von mir keine Antwort bekommen, aber mit diesem Gegengewicht scheinen die Prädikate, gegen die er sich zeitlebens gewehrt hat, noch am ehesten Sinn zu machen, „Dichter der beiden Deutschland“ oder „Dichter des geteilten Deutschland“. Offensichtlich ist der exzentrische Standpunkt die Bedingung dafür, und vor dem Hintergrund der verlorenen Heimat klingt nicht einmal Heimatdichter Mecklenburgs so grimmig, wie es sonst klingen müsste. (…).“
Zum Buch
Ein großer Roman über die jüngeren Balkankriege. Erzählt wird die Geschichte des Journalisten Christian Allmayer, der bei einem Hinterhalt im Kosovo ums Leben kommt. Der verhinderte Schriftsteller Paul nimmt das zum Anlass, einen Roman über Leben und Tod des Journalisten zu schreiben. Auf dessen Spuren fährt er durch Kroatien und Bosnien, um sich inmitten der immer noch sichtbaren Verwüstungen ein Bild von der Arbeit eines Kriegsberichterstatters zu machen. Beeindruckend lotet der aus Österreich stammende Schriftsteller Norbert Gstrein das Dilemma derjenigen aus, die das Handwerk des Tötens beschreiben wollen.
Zum Autor
Norbert Gstrein wurde am 3. Juni 1961 in Mils (Tirol) geboren und lebt zurzeit in London und Hamburg. Er studierte Mathematik in Innsbruck, Stanford sowie Erlangen und arbeitete an einer sprachphilosophischen Dissertation zur „Logik des Fragens“. Lebensstationen waren unter anderem Wien und Zürich.
Zu seinem beachtlichem erzählerischen Werk gehören die Romane „Das Register“ (1992) und „Die englischen Jahre“ (1999), die Novellen „O2“ (1993) und „Der Kommerzialrat“ (1995) sowie die Erzählungen „Einer“ (1988), „Anderntags“ (1989) und „Selbstportrait mit einer Toten“ (2000).
Der Autor wurde vielfach geehrt, erhielt unter anderem den Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (1989), den Berliner Literaturpreis (1994), den Alfred-Döblin-Preis (1999) und den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (2001).