Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an Uwe Johnson denken?
Als Berliner eine Anekdote, die ich in der Sammlung „Befreundungen“ gelesen habe. Da wird geschildert, wie Uwe Johnson in einer klirrend kalten Winternacht mit dem Fahrrad von Friedenau nach Wannsee radelt, um an Peter Rühmkorfs Dachfenster Schneebälle zu werfen, weil er diesen nicht telefonisch erreicht hat. Irgendwas muss mit Rühmkorfs Telefon gewesen sein, zumindest war dieser zuhause und Johnson hat sich an dessen Wodka anschließend die kalt gefrorenen Finger gewärmt.
Wie schätzen Sie die Bedeutung Uwe Johnsons und seines Werkes ein?
Meines Erachtens gäbe es die Knausgårds, Melles und Stuckradt-Barres nicht, wenn Uwe Johnson nicht schon früh – wenngleich in literarisch verschlüsselter Form – das biografische Schreiben angewandt hätte, um über die Verhältnisse seiner Zeit vor dem Spiegel der Geschichte nachzudenken.
Welches Buch von Johnson muss man unbedingt gelesen haben?
Ich würde Johnsons „Mutmaßungen über Jakob“ zum Einstieg empfehlen, die „Jahrestage“ sind eher etwas für Leser, die sich von ihrer Lektüre gern herausfordern lassen. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, der findet in der Anthologie „Wohin ich in Wahrheit gehöre“ eine gute Grundlage.
Warum gehört der Uwe-Johnson-Preis unbedingt in die deutsche Literaturlandschaft?
Die deutsche Geschichte ist keine Einbahnstraße, wie oft immer angenommen wird. Sie muss immer wieder gedreht und gewendet werden, um sie in Ihrer Komplexität zu begreifen. Der Uwe-Johnson-Preis und der Förderpreis prämieren Werke, die sich den Wendungen in der Geschichte annähern und die Komplexität in Individualität auflösen. Auch wenn sicherlich auch jedes andere Land einen solchen Preis brauchen könnte, ist er in unserem doch wichtiger als anderswo?
Was wünschen Sie dem Preis?
Ich wünsche dem Preis, dass er in der deutschen Literaturlandschaft maßgeblich wird für das, was engagierte, reflektierte und experimentierfreudige Literatur ausmacht.